Die Etappe der Vergessenen
Kaum lasse ich die niederländische Grenze hinter mir, wird auch das Wetter wieder besser.
Der Grenzübertritt ist ziemlich unscheinbar, macht sich nur am rapide abnehmenden Qualitätsunterschied der Radwege bemerkbar.
Bald setze ich auch mit einer weiteren Fähre über einen Fluss. Dort treffe ich auf einen weiteren Radler, mit dem ich mit ein bisschen unterhalte.
Auch hier fällt mir mal wieder auf, wie negativ manche Menschen sind. Bzw. frage mich, was die Beweggründe für manche Aussagen sind.
Der (etwas ältere) Herr war etwas entsetzt darüber, dass ich die Reise alleine antrete und meinte nur, dass er es seiner Tochter verbieten würde. Fragt mich, ob ich eine Waffe dabei hätte um mich im Ernstfall zu verteidigen.
Ich frage mich nach solchen Gesprächen meist, ob er von sich auf andere Männer schließt, oder ob es ihm einfach Spaß macht Frauen Angst ein zu reden, verkneife mir aber solche Fragen. ;b
Hier entschließe ich (zum Glück) zwei Etappen des Nordseeküstenradwegs zu skippen und durch das Landesinnere ab zu kürzen. Somit verpasse ich zwar Ottos Haus in Emden und den einen bekannten Leuchtturm, aber wenn ich dafür mehr Abwechslung als Deich um mich herum habe, ist mir das mehr wert.
Die erste Nacht auf deutschem Boden habe ich dann im nebelig-mystischen Badekaspel verbracht.
Durch kühle Nebelschleier führt mich mein Weg, es ist kaum jemand unterwegs. Dafür ehe ich ein paar Rehe und Hasen.
Ab Aurich wechsel ich auf den Jade-Ems-Kanal. Der lag nunmal auf dem Weg und um ehrlich zu sein, hatte ich erwartet, dass mich langweiliges gerade aus an einem – wie der Name schon sagt – Kanal erwarten. Aber so war es dann gar nicht. Sehr abwechslungsreich ging es daher, mal am Wasser, mal durch Wald, mal bester Radweg, mal „Panzerplatten“, mal Kiesweg. Kleine Dörfer und Höfe kreuzend. Einmal bin ich sogar auf Trailmagic getroffen. Einen Kühlschrank, in dem man kühle Getränke gegen Geld erwerben konnte. Erst zum Ende hin wich der Wald und der Kanal gab mir das, was er zuvor versprochen hatte: langweiliges gerade aus ohne Windschutz und großartig Interessantes um mich herum.
Ziel war Dangast und hier habe ich nun die erste Radreisende meiner Reise getroffen, die mir etwas erhalten bleiben sollte. 😀
Die Zelte nebeneinander stehend haben wir und ein bisschen ausgetauscht. Sie hat schon ein paar (längere) Radreisen hinter sich und ich wurde die nächsten Tage auch ein bisschen „Zuhörlady“.
Sonderlich schön ist die Region in der ich mich befinde nicht. Unter Seglern ist der Jadebusen allerdings wohl ein wohl bekannter Begriff.
Schon gleich am zweiten Tag auf dem Nordseeküstenradweg wurde mir irgendwie klar, dass das mit uns keine große Liebe wird. Man fährt viel hinter-vor-über Deich. Dabei sieht man zwar viele Schafe und Seevögel, aber kämpft oft gegen den Wind an. Die Kette ist verklebt von Schafskacke und da es auf Pfingsten zu geht sind viele Orte einfach überrannt. Ach ja, die Kurtaxe nicht zu vergessen. Wenn du 4 € zahlen musst, um auf den Strand zu gehen, dann muss ich einfach sagen – ohne mich.
Das empfinde ich ungefähr so toll, als wenn die Alpenländer Eintritt für Gipfel kassieren würden.
Der Wunsch so schnell wir möglich nach Dänemark zu kommen sorgt, dafür, dass ich hier auch etwas Gas gebe. Zumal manche Campingplätze hier einfach richtig Abzocke sind. Bei einem habe ich für ungemähte Buckelpiste knapp 30€ für eine Nacht gezahlt!
Dafür gab es dann nochmal Löffler zu Beobachten und einen sehr imposanten Sonnenuntergang als Trost.
Andere hingegen waren mit 12 Euro für die zeltende Radreisende wieder sehr human. Vor allem der eine in Cappel-Neufeld, wo ich mein Zelt unter Apfelbäumen aufschlage und eine wunderbar ruhige Nacht als eine von wenigen Campern verbringe. 🙂
Es folgt der Weg nach Cuxhaven mit einem schönen Strandabschnitt, den ich links liegen lasse (Kurtaxe *hmpf*). Aber ein Teil des Weges führt durch schöne Eichen- und Buchenwälder, deren Waldboden mit Kissen voller Großer Steinmiere bedeckt sind.
Hier treffe ich auch die Entscheidung von meinem eigentlichen Plan ab zu driften und nicht weiter an der Nordsee zu fahren. Ich weiß, dass der Weg ab Dänemark wunderschön werden wird, aber das ist es mir gerade nicht wert. Mein Kopf und meine Augen brauchen Abwechslung!
Derweil passiere ich auch noch schöne Orte wie Otternburg, deren Altstadt sich wirklich einen zweiten Blick wert sind.
Und so fahre ich noch bis nach Krautsand und beschließe nach Überquerung der Elbe, in Richtung Ochsenweg ab zu driften. Dort kann ich dann den dänischen Hærvejen bzw. Eurovelo 3 weiter folgen.
In Krautsand treffe ich auf drei lustige Typen, die mit Mopeds angerollt kommen. Von denen wurde ich dann auch für einen Abend adoptiert und zum Eisessen eingeladen.
Die Mopedrocker wollten eigentlich nach St. Peter Ording weiter fahren, dann ist eines ihrer Mopeds kaputt gegangen (das mit Kabelbinder irgendwie noch funktionsfähig „MacGyverd“ wurde) so sind sie zum Umdrehen gezwungen worden. Ihre Laune war aber nicht minder schlecht. Der Abend mit den Herren war sehr lustig und gab mir ein bisschen Hoffnung, dass dies nicht die letzte Begegnung dieser Art werden sollte.
Während ich ein paar Tage auf dem Ochsenweg unterwegs war, habe ich mir den Luxus von günstigen Unterkünften gegönnt. Es gab wenige Campingplätze (für nicht Dauercamper) auf dem Weg – leider.
Allerdings war das nach all den Tagen im Zelt ein ganz anderes Gefühl und auch mal ganz gut in einem richtigen Bett zu schlafen. 🙂
Der Ochsenweg hat mir sehr gut gefallen und ich bin über Hügel gerollt, habe Wälder und Felder durchfahren. Es war so schön abwechslungsreich, bei bestem Frühlingswetter und Gegenwind war hier kein Thema. 🙂
Der Ochsenweg ist ein historischer Weg, der sich zwischen Dänemark und Schleswig Holstein entlang schlängelt. Hier wurden auf sog. Hohlwegen vor allem Ochsen und andere Güter zwischen Norden und Süden verbracht. Teilweise verläuft der Weg tatsächlich über diese historischen Wege und führt in Dänemark weiter bis an die Ostsee. Am Wegesrand finden sich immer wieder riesige Hörner aus Holz, die den historischen Weg markieren.
In Deutschland gibt es eine Ost- und Westvariante. Und sowohl in Deutschland als auch in Dänemark handelt sich dieser Teil um einen Pilgerweg. Daher trifft man unterwegs auch immer die ein oder andere wandernde Person.
Kurz vor meiner vorletzten Unterkunft reißt mir doch tatsächlich der Schaltzug der hinteren Gänge. So fahre ich in einem eher nicht so tollen Gang bis zum Hotel. Dort erfahre ich, dass es einen Radladen im Ort gibt, den nehme ich sofort in Anlauf. Dort erfahre ich aber leider, dass der Mechaniker im Urlaub ist und ich die nächsten 20 km nach Schleswig in einem Gang fahren darf bis der nächste Radladen erreicht ist. Mist!
Allerdings geht es mit dem einen Gang halbwegs gut. Ich komme an dem Tag am Danewerk vorbei. Eigentlich wollte ich mir hier Zeit für das Museum nehmen, aber ich will mein Fahrrad lieber repariert bekommen und so schaue ich es mir im Vorbeifahren etwas an.
Das Danewerk wurde zum Schutz der früheren Deutsch-Dänischen Grenze errichtet und erstreckt sich über viele Kilometer in verschieden hohen Erdwällen. Zusammen mit der alten Handelsstadt Haithabu steht es unter UNESCO Weltkulturerbe.
In Schleswig finde ich tatsächlich eine Werkstatt, dir mir den Schaltzug schnell reparieren kann und so mache ich einen kleinen Spaziergang durch die schöne Altstadt und den Hafen.
Dann geht es weiter in Richtung Flensburg, mit reparierter Gangschaltung lassen sich all die Hügel doch gleich viel besser rollen.
Und ich muss gestehen, dass ich das erste Mal auf dieser Reise wirklich richtigen „Flow“ verspüre. Ich mag die Landschaft um mich herum, dass es überall etwas zu entdecken gibt. Ein bisschen Abwechslung durch verschiedene Straßenbelege und Höhenmeter. Zunehmend entspannter gehe ich die Reise an, mache mir nicht mehr so den Kopf um „was wäre wenn“ – irgendwie bekommt man eine Lösung/Hilfe. Gönne mir auch mehr Pausen – auch weil das Wetter einfach grandios ist und man sich einfach mal länger hin setzen kann, ohne gleich aus zu kühlen. Ich beobachte wie sich die Vegetation die letzten Kilometer und Wochen geändert hat. Wie grün es geworden ist, wie viele Bäume und Blumen blühen, wie angenehm die Temperaturen fürs Radfahren sind und auch all die kleinen Tiere entlang des Wegs. Und es ist auch wesentlich länger hell! 🙂
Das Ziel vor der Grenzquerung ist nun Flensburg, eine Stadt in der ich tatsächlich schon öfters mal gewesen bin und die einen kleinen Platz in meinem Herzen besitzt. Hier habe ich für zwei Tage Pause. Wäsche waschen, Proviant aufstocken, überflüssige Sachen zurück schicken, Stadt angucken, am Hafen sitzen und die erste Zimtschnecke gönne ich mir hier auch.
Und dann? Dann geht die Reise erst richtig los – zumindest fühlt es sich so an.
Etwas aufgeregt, aber auch mit Vorfreude rolle ich weiter gen Norden.
Dänemark, Zimtschnecken, Shelterplätze – ich komme! 🙂