Ausgeknockt!
Hieß der letzte Eintrag nicht Angekommen?
Was heißt das bei einer Reise eigentlich?
Wie kommt man denn irgendwo an, wenn man nicht da bleibt?
Heißt ankommen nicht das Ziel zu erreichen?
Dachte ich in Koblenz noch, ich wäre in der Reise angekommen, musste ich feststellen – nein, das bin ich keines Wegs.
Nach zwei Tagen Pause mit Sturm, weiter sinkenden Temperaturen und Regen, hieß es für mich wieder auf zu brechen.
Und um ehrlich zu sein, die Reiselust und Abenteuerlaune war mir tatsächlich bis zu diesem Tag vergangen. Die Aussicht auf Besserung des Wetters war nicht in Sicht…
Dennoch zwang ich mich auf mein Rad. Und nachdem mir meine Tante noch ihre Winterhandschuhe in die Hand drückte und einen 20€ Schein hinterher. Mit den Worten: „Die nimmst du jetzt mit! Und davon kaufst du dir eine warme Suppe unterwegs!“
Und diese Handschuhe sollten mir tatsächlich die nächsten Tage die Finger retten! Vielen Dank!
Wieder linksrheinisch ging es in Richtung Bonn. Und überraschend blieb der Tag halbwegs trocken. Kalt war es dennoch und die Stimmung, die war im Keller, wie die Temperaturen.
Der Weg war nicht mehr so schön wie zuvor das Mittelrheintal. Mir wurde klar, dass da jetzt viele Großstädte und Industrie auf mich zu kommen würden. Irgendwie schaffte ich es auch nicht mich auf die schönen kleinen Dinge neben dem Weg zu konzentrieren. Das ging so bis Andernach, ein kurzer Versuch in die Altstadt vorzudringen wurde nach nicht mal einer Minute abgebrochen.
Das gab mir in dem Moment einfach gar nichts. Fahren und ankommen – das wollte ich.
Ich fuhr irgendwann über die neue Ahrbrücke. Dieser relativ unscheinbare Fluss, der hier in den Rhein mündet, hat vor ein paar Jahren für eine riesige Flutkatastrophe im Ahrtal gesorgt. Die Orte entlang des Flusses sind bis heute noch mit den Aufbauarbeiten beschäftigt und bei vielen sitzt das Trauma tief.
Man könnte hier jetzt auch abbiegen und den Ahrtal-Radweg mit nehmen – aber das lag nicht auf meiner Route.
Und so landete ich irgendwo in der Nähe von Remagen und Bonn auf einem kleinen Campingplatz. Kaum stand das Zelt kam sogar die Sonne raus und die Laune stieg wieder etwas.
Mit einem kleinen Abendsparziergang am Rhein entlang ließ ich den Abend ausklingen.
Am nächsten morgen regnete es wieder.
Das mit dem Regen und Zelten ist so eine Sache. Einerseits mag ich das Geräusch von Regen auf Zelt, aber wenn man weiß, dass man das Zelt nass ab- und am Abend wieder aufbauen muss… Das ist einfach nichts. So versuchte ich meine Sachen nochmal im Waschraum über die Heizung zu hängen und frühstückte auch dort.
Mir fiel beim Packen auf, dass ich den Drybag für meine Kamera nicht mehr auffinden konnte.
Bei der Abfahrt beschloss ich nochmal den Rhein ab zu fahren, wo ich meine Kamera gestern noch ausgepackt hatte. Und siehe da! Da war der Drybag am Ufer im Gebüsch.
Die Stimmung stieg wieder und ich kam bald in Bonn an.
Es regnete den Vormittag kaum noch, blieb aber kalt. Und so konnte ich fast trocken Köln erreichen.
Eigentlich hatte ich mir vor genommen dort ein Café zu besuchen und eine heiße Schokolade zu trinken. Dann kam aber alles anders.
Kaum hatte ich die Kölner Stadtgrenze erreicht schüttete es wie aus Eimern. So arg, dass ich mich irgendwann in einem Firmeneingang unterstellte und einfach eine halbe Stunde tot schlagen musste. Das man bei so einer Warteaktion ziemlich schnell auskühlt, ist nun auch kein Wunder.
Irgendwann verwandelte sich der Sturzbach in ein kleines Nieseln und ich beschloss weiter zu ziehen. Ein Café war nicht in Sicht, auf die Stadt hatte ich bei dem Regen auch so gar keine Lust mehr und beschloss einfach so schnell wie möglich zum Campingplatz zu kommen.
Die immer lauter werdende Stimme, die mir die Möglichkeit eines Zugtickets zurück nach München aufwies, ignorierte ich halbwegs.
Der Weg zog sich – nicht nur wegen einer dummen Umleitung die ich missverstand, mich im nächsten Regenguss mehrere Kilometer Umweg machen ließ. Es wurde einfach immer nasser, kälter, windiger. Und natürlich war es Gegenwind!
Am Campingplatz angekommen baute ich also im strömenden Regen mein Zelt auf und musste feststellen, dass es im Waschraum keine Heizung gab und man sogar für das heiße Wasser am Waschbecken zahlen musste.
Der Platz war sonst wunderschön am Rhein gelegen, aber diese Kälte und fehlende Wärmequelle brach mich in dem Moment echt ein bisschen. Als dann doch noch ein bisschen die Sonne raus kam, das warme Essen gegessen war, ging die Laune wieder aufwärts.
Die Nacht war okay, aber noch kälter sollte es vielleicht nicht unbedingt werden. Spoiler: wurde es aber!
Aber dieses ständige psychische auf und ab kostet viel Kraft.
Am nächsten Morgen schaffte ich es nicht mein Zelt trocken ab zu bauen und zog frierend wieder meiner Wege. Meine Zehen spürte ich den ganzen Tag nicht. Regenschauer und Gegenwind stellten mich langsam vor ein kleines Problem. Noch hielt meine Ausdauer an.
Irgendwann kam auch die Sonne raus. Also entschied ich mich für eine Pause um das Zelt mal in die Sonne raus zu legen. Ich habe es fast ganz trocken bekommen, dann hat sich schon wieder der nächste Schauer angekündigt. So ging es die ganze Zeit weiter.
In Düsseldorf gab es mal wieder eine dumme Umleitung.
Wenn ich ehrlich bin, bekomme ich schon fast das Kotzen, wenn ich irgendwo ein gelbes Umleitungsschild mit Fahrrad drauf sehe!
Am Rheinufer ging es dann an Düsseldorf entlang, auch dort sind ein paar echt schöne Häuschen am Ufer gestanden. Allerdings ist mir der Blick für solche Dinge ziemlich abhanden gekommen.
Die nächsten Kilometer trieb ich mich einfach nur noch an, auf dem Deich, bei absolutem Gegenwind. Ich erreicht den Campingplatz total ausgelaugt und erschöpft.
Als mir der Rezeptionist erzählte, dass es für Radfahrer eine Hütte mit Stromanschluss und Herd gab, hätte ich ihn einfach knutschen können!
Diese Hütte und die heiße (kostenlose!) Dusche nutzte ich auch extrem aus. Um ehrlich zu sein, wäre sie nicht gewesen, ich weiß nicht, wie dieser Abend sonst verlaufen wäre.
Es wurde immer kälter, die Nächte bei Minusgraden und Schnee war teilweise angesagt.
Und Eis sollte ich auch am nächsten Morgen auf meinem Zelt vorfinden.
Die Nacht habe ich halbwegs überstanden, der Schlafsack ist echt super! Aber sobald man aufs Klo muss, ist es halt vorbei mit der Wärme. Vor allem wenn man bis dort durch Matsch, Pfützen und ca 3 Minuten Fußweg hat. Immerhin konnte ich mich mit Tee in der Hütte aufwärmen, das Zelt halbwegs gut einpacken und zog mit tauben Zehen weiter gen Norden. Nächstes Ziel Wesel. Allerdings bei weiter fallenden Temperaturen! Meine Cousine tat sogar noch eine Übernachtungsmöglichkeit bei einer Studienfreundin auf, die ich aber später nicht annehmen sollte. Aber das ist etwas, das ich sehr bemerkenswert finde: Fremde Menschen, die einen gar nicht kennen, bieten einem Übernachtungsplätze an. Ich bin Sprachlos und gerührt zu gleich und weiß bis heute nicht, wie ich das einordnen soll. 🙂
Bei sehr wechselhaftem kalten Wetter, das doch ziemlich trocken war, ging es viel durch leergefegte Industriegebiete. Orte an denen ich mich in dem Moment gar nicht behaglich fühlte.
Erst als ich an einem kleinen Waldstück ankam, ließ die Anspannung etwas nach. Aber mir ging es den ganzen Tag nicht sonderlich gut. Der Wind machte mir zu schaffen, die Hagelschauer vor denen ich mich unterstellen musste. Die Zehen, die ich nicht mehr spürte.
Mein Körper schrie, er schrie laut. Und ich war oft den Tränen nahe, beschimpfte den Wind. Aggression wechselnd mit aufkommender Erschöpfung und Verzweiflung.
Gegen Nachmittag wurde mir ein paar mal schwindelig. Und ich beschloss im nächsten Hotel ein zu checken. Das riss ein kleines Loch in mein Budget, aber was soll‘s.
Der Typ im Hotel gab mir sogar noch ein Zimmer mit Rheinblick zum günstigeren Preis. Dort genoss ich etwas die Aussicht, aber war zu ausgelaugt um mich zu erholen.
Die Nacht verbrachte ich mit Bauch- und Magenkrämpfen. Froh darüber nicht bei Frost im Zelt zu sitzen oder bei einer fremden Person im Gästezimmer zu liegen.
Am nächsten morgen kam sogar die Sonne raus, der Wind war okay. Und ich hatte Aussicht auf ein Bett zum Übernachten. Es sollte weiterhin kalt bleiben.
So fuhr ich den Deich entlang, vorbei an einem Vogeleldogardo Bislicher Insel. Aber natürlich kam wieder Regen und beißender Wind auf. Also nichts mit Vogel gucken.
Ich fuhr so schnell es ging nach Xanten und hatte dort viel Zeit, da ich erst um 18:30 bei der Übernachtungsgelegenheit ankommen konnte.
Also gab es eine heiße Schokolade und einen Bagle im Café, ich sah mir die Altstadt ausgiebig an und beschloss dann noch eine Stunde im Siegfriedmuseum zu bleiben.
Xanten ist mit Worms eine der Städte, die im Niebelungenlied vorkommen. Denn es ist die Geburtsstadt von Siegfried. Da war es immerhin warm, ich lernte noch ein bisschen was.
Es gibt auch ein Archäologisches Zentrum, ein großes Freilichtmuseum. Eigentlich voll meins, aber was soll ich sagen, das Wetter…
Dann wurde das Wetter auch wieder etwas besser und ich trat die letzten 30 Kilometer an. Diese waren sehr sonnig – immerhin.
Am Abend gab es noch lecker Essen, Syrische Kekse und eine ganz große Mütze schlaf. So gut habe ich die letzten Wochen nicht geschlafen. Es war so nötig!
Vielen Dank für die Obdach und den netten Abend!
Nach einem gemütlichen Frühstück ging es dann weiter in Richtung Niederlande.
Kaum war die Grenze passiert, änderten sich die Radwege in ein absolutes Paradies und ich hatte schneller als gedacht meine ersten 25 Kilometer auf der Uhr.
Eigentlich hatte ich auf dem Weg in Richtung Utrecht vor ein-zwei Tage in der Hoge Veluwe zu verbringen. Ein schönes Heidegebiet in Mitten der Niederlande. Aber durch das Wetter hatte ich darauf gar keine Lust mehr.
Und so hatte ich die Wahl, entweder 100 Kilometer durch ballern, oder mit dem Zug abkürzen.
Ich fuhr erstmal bei schönem Wetter und wenig bis gar kein Wind über die Niederländische Grenze.
An der ersten Rheinfähre traf ich einen anderen Radreisenden aus Düsseldorf. Er war auf den Weg nach Texel und unsere Wege kreuzten sich bis kurz vor Arnheim öfter mal. Hier und da ein kurzes Gespräch.
Wie sehr ich mich nach so etwas gesehnt habe! Bisher waren weniger Radler unterwegs als gedacht und wenn, dann in die andere Richtung.
Ich hoffe er hat noch eine weitere gute Reise und ein paar tolle Tage auf der Insel mit viel Sonne und keinem platten Reifen!
In Arnhem deckte ich mich bei einem Bäcker erstmal mit etwas zu Essen ein, machte kurz Pause und wunderte mich über die Höhenmeter, die ich hier erklimmen musste. 😉
Dann ging es auf perfekten Radwegen durch Alleen und Waldgebiete. Ich kam am südlichen Rand der Hoge Veluwe entlang – wie schön muss es hier sein, wenn die Heide blüht!
Ich merkte hier aber auch, wie meine Motivation auf einmal extrem einknickte.
Bei Ede beschloss ich noch einen Ort weiter zu fahren und dann mein Rad und mich mit dem Zug nach Amersfoort zu transportieren. Das hat auch super geklappt. Man konnte einfach mit dem Rad in den Zug hinein, ohne schleppen zu müssen und hatte drinnen gut Platz für Räder.
Aber Amersfoort ging es dann die letzten 20 Kilometer mit dem Rad weiter nach Hilversum.
Diese zogen sich extrem. Da sie hauptsächlich kerzengerade an Schnellstraßen entlang gingen. Dennoch schaffte ich es noch vor dem großen Regen im Trockenen an zu kommen.
Hier darf ich jetzt zum Glück ein paar Tage bei Freunden ausruhen und muss mir überlegen, wie es weiter gehen soll…
Ich würde gerne die Hoge Heluwe anschauen, vielleicht – wenn das Wetter endlich besser wird – habe ich aber auch Zeit für einen Umweg nach Texel? Aber eigentlich war der Nordseeküstenradweg in Richtung Hamburg/Dänemark der nächste Abschnitt. Vielleicht kann ich es ja doch noch irgendwie verbinden.
Mein Körper schreit nach Ruhe, ich mag nicht mehr frieren, will einfach nur schlafen, könnte sämtliche Vorräte weg futtern…
Gestern habe ich gesehen, dass ich meine ersten 1000 Kilometer geschafft habe, ich bin in 17 Etappen von München in die Niederlande gekommen. Eigentlich ein Grund um stolz zu sein…
Aber wie komme ich an?
Wo ist das Ziel, wenn der Weg so beschwerlich ist…?