Endlich Frühling!

Endlich Frühling!

Nach ein paar Tagen Pause, die dringen nötig gewesen sind, hieß es wieder Abschied nehmen.
Bei schönstem Sonnenschein und milden Temperaturen hatte mich der Wald um Hilversum bald vom Abschied abgelenkt.
Ich habe mich in den letzten Tagen oft gefragt, ob es gut ist, dass ich unterwegs Freunde besuche. Da mir jeder Abschied ziemlich schwer fällt – warum kann ich nicht sagen, man sieht sich ja irgendwann sicher wieder.
Aber seit ich auf Tour bin, ist irgendwie vieles anders geworden.
Was mir daheim nichts ausgemacht hat, ist nun ein immer wieder kehrendes Problem – das allein sein.

Aber heute fühle ich mich gar nicht mehr allein, zumindest nicht mehr als ich durch die schöne Wälder und Heidelandschaft fahre. Überall riecht und klingt es nach Frühling, es blüht und saftiges Grün ist allgegenwärtig. Beinahe so, als habe es den Wintereinbruch der letzten Woche gar nicht gegeben.
Ich bin zu einer neuen Routine über gegangen. Da in den Niederlanden sehr viele Campingplätze auf engem Raum existieren, fahre ich so lange frei Schnauze bis ich gegen 15 Uhr eine Pause mache und dabei einen schönen Campingplatz in der Nähe raus suche. Den steuer ich an, baue mein Zelt auf und lasse den Abend etwas ausklingen. Ist ein netter Ort in er Nähe, schaue ich mir den noch einmal in Ruhe an. Esse zu Abend, lese, schreibe das Geschehene in mein Reisetagebuch und gehe dann auch mit dem Einbruch der Dunkelheit schon ins Bettchen. Meist Lese ich dann noch etwas, oder höre Musik.

Generell versuche ich nach dem Desaster von letzter Woche viele kleine Pausen mit ein zu bauen – auch um mich daran zu erinnern mal durch zu schnaufen, den Stress raus zu nehmen und etwas zu essen oder zu trinken.
Das funktioniert – zumindest wenn das Wetter halbwegs mit spielt.
Mein erster niederländischer Campingplatz ist ein kleiner rustikaler Platz, der zu einem Bauernhof gehört. Generell gibt es davon sehr viele in den Niederlanden und sind relativ günstig. All zu viel Luxus sollte man aber nicht erwarten. 😉
Aber Luxus, das ist schon eine warme Dusche am Abend und trockenes Wetter!

Am nächsten Tag geht es weiter durch die Veluwe, ich fahre wieder kreuz und quer mich meist an den Knotenpunkten orientierend. Teilweise bin ich alleine auf den schönen Wegen durch diese tolle Landschaft. Kiefernwald, Mischwald, Sand, Heidekraut – das leider noch nicht blüht. Aber bei den typischen Routen trifft man dann doch auf viele andere Radfahrer – kann aber auch daran liegen, dass gerade Maiferien sind.
Die Niederländer grüßen alle sehr lieb (auch die Rennradfahrer ;)) und sind oft zu kleinen Gesprächen aufgelegt.
Bald heißt es aber Abschied von der Heide zu nehmen und ich fahre entlang eines Deiches in des kleine Örtchen Zalk. Hier gibt es einen Zeltplatz der ausdrücklich nur für Radfahrer und Wanderer mit Zelt ausgelegt ist. Und dort baue ich mein Zelt unter blühenden Apfelbäumen auf.
Hier liege ich nun auf der Bank, schaue in den Himmel, lausche dem Summen und Brummen über mir. Was für ein wunderschöner Ort!
Und ich habe ihn die ganze Nacht für mich alleine!

Am nächsten Morgen geht es wieder weiter, auch mit dem Sonnenschein. Ich kann das erste Mal mit Schlappen und kurzer Hose radeln.
Zuerst gibt es nochmal eine kleine Fährfahrt über den Fluss und dann ziemlich öde einem Schachbrettmuster folgend durch die pralle Sonne und Wind. Ich muss gestehen, das mich dieser Teil ziemlich langweilt und ich hoffe innerlich zu tiefst, dass es so nicht weiter gehen wird.
Was es auch nicht tut.

Bei Hasselt ändert sich die Landschaft mit einem Mal. Aus Schachbrettmuster wird saftiges grünes Naturschutzgebiet. Man folgt vielen Kanälen mit dunklem Wasser, kann Vögel beobachten und im Schatten der Bäume Pause machen. Ab und zu gibt es kleine Häuschen, die Kaffee oder Tee anbieten
Bald wird es wieder etwas Landwirtschaftlicher, aber die Route verläuft schön durch kleine Ortschaften mit Alleen. Schließlich endet die Tour mit dem Nationalpark Dwingelderveld, der mit seinen schönen Bäumen einfach zum Verweilen einlädt.
Übernachtet wird auf der Campingwiese eines Pferdhofs bei Dwingeloo. Zweckmäßig, nochmal würde ich da aber nicht übernachten wollen…

Neben Angry Bugg, der mein Zelt bewacht, ist Rufus nun mein neuer Bodyguard auf dem Weg. Und ja, er hat wirklich eine ausgeprägte Jawline. 😀

Heute geht es zum erwarteten Etappenziel seit Hilversum – Groningen.
Eine sehr lebendige alte Universitäts-Stadt, die zwar erst auf dem zweiten Blick ihren Charme bei mir entfaltet hat, aber mir auf jeden Fall gut im Gedächtnis bleiben wird.
Und wieder überrascht mich bei dieser Tour die Niederlande mit seiner Wandelbarkeit. Ich fahre Vormittags durch ein wunderschönes Wald- und Sumpfgebiet des Drents-Friese Wold Nationalpark. Wunderbar schlängeln sich die Radwege durch den Wald, neben dem Weg wachsen bizarr wirkende moosbewachsene knorrige Bäume. Einige davon sind wohl umgefallen und wurden gleichwohl zu Sitzgelegenheiten umgebaut. Das lädt natürlich zu einer kleinen Rast ein.

Natürlich kehren die langweiligen Schachbrettmuster immer wieder, auch riecht es in der Luft leider ziemlich nach Landwirtschaft – mehr als ich es von mir daheim kenne.
Ein weiterer Schöner Abschnitt war eine Sumpflandschaft kurz vor Groningen. Aber hier sind es auch nur noch 20 Kilometer und mich muss den Notfallcampingplatz nicht ansteuern – dieser hatte sich auch als FKK Campingplatz heraus gestellt… Nein danke. 😉

Kurz bevor ich in die Stadt Groningen eintauche werde ich noch Zuschauerin eines Froschkonzerts und treffe einen netten älteren Herren, der mir von seiner Weltreise per Rad erzählt.
Er rät mir auch vehement davon ab mit dem Rad nach Australien, Neuseeland oder Brasilien zu fahren, wegen der schlimmen Straßen. Die sind viel zu eng und dann gibt es einfach viel zu viele LKW
Der Campingplatz in Groningen ist direkt am Stadtpark gelegen und so mache ich abends noch eine kleine Tour durch die Stadt. Da heute mein einmonatiges Radtour-Jubiläum ist, habe ich nicht nur meine Dino Socken angezogen, sondern gönne mir auch einmal essen gehen. 🙂
In der Stadt haben viele Leute in den kleinen Altstadtgassen Biertische und Stühle stehen und sitzen mit freunden am Straßenrand und genießen das Leben mit Bier und Wein.
Es tut gut so viele fröhliche Gesichter zu sehen!

Am nächsten Morgen ist die Stimmung so trüb wie das Wetter. Es hängt dichter Nebel über den Bäumen des Stadtparks. Ich unterhalte mich noch kurz mit anderen Radreisenden, die wohl sehr spät angekommen sein müssen. Sie sind auch auf dem Eurovelo 12 unterwegs, allerdings in Richtung Westen. Schade.
Also ziehe ich alleine weiter durch die dichten Nebelschwaden und habe vor lauter Nieselregen und Wind kaum Sicht. Es sind auch heute kaum Leute unterwegs und ich fühle mich sehr einsam. Ich versuche mit Musik dagegen zu halten und fahre irgendwie mehr oder weniger Ziellos durch die Suppe. Irgendwann hat sich die Musik dem Wetter angepasst und ich kann darin etwas „mystisches“ sehen.
Auch fällt es mir heute wieder auf wie lustige es eigentlich ist, wenn man in der Ferne ein Segel eines Segelboots durch die Felder ziehen sieht. Auch die scheinbar random platzierten Zugbrücken überall.
Ich möchte heute die Nordsee erreichen und freue mich schon darauf über den Damm zu kommen. Stehe aber leider vor einem Militärzonen Schild. Da ich in der Ferne Schüsse vernehme, auf dem Schild irgendwas mit Munition steht, drehe ich mich um. In dem Moment braust auch schon wie im schlechten Film ein olivgrüner Jeep um die Ecke.
So fahre ich halt eine Parallelstraße bis ich mich zum Meer durch gekämpft habe.
Und es kommt ein unerwarteter Gefühlsausbruch. Da stehe ich nun, an der Nordsee, die ich eigentlich sehr schätze, auf die ich mich auch gefreut habe. Auf den ersten Blick aufs Wattenmeer und dem typischen Meergeruch.


Aber die Aussicht ist dermaßen kläglich, dass es mir wirklich die Tränen in die Augen treibt.
Da ist Ebbe, es riecht extrem nach Gülle, dass ich sie fast schon schmecken kann. Um mich herum die Schafe, sie gucken mich etwas irritiert, vielleicht auch mitleidig an, wie ich da stehe im Nieselregen und kalten Wind. Frierend und traurig, dass die Erwartungen leider irgendwie mal wieder so extrem an der Realität vorbei gehen.
Erwartungen? Was habe ich mir eigentlich erwartet von der Tour?
Dass es schlechtes Wetter gibt und nicht immer alles toll wird, das war klar. Dass es anstrengend wird, das auch. Aber das diese Momente, auf die ich mich gefreut habe, ausbleiben… Das sitzt in dem Augenblick tief.
Zerknirscht fahre ich auf den Campingplatz, als ich dort von Hund und Herrin so freundlich begrüßt werde, steigt die Stimmung wieder.
Sie gibt mir einen guten Platztipp und ich baue mein Zelt auf. Als ich dort drin sitze, muss ich einfach nur lachen. Über die Situation, wie ich vom Gestank umnebelt auf dem Deich gestanden bin und einfach nur enttäuscht war. Nix salzige Meeresluft!
Zum Glück hat gegen Abend der Regen aufgehört und die Stimmung war wieder oben.

Und blieb das auch am nächsten Tag. Heute hatte ich nur eine kurze Route entlang des Deichs und gleich einen tollen Moment. Ich blieb stehen, weil ich einen der weißen „Reiher“ fotografieren wollte und sah durch das Teleobjektiv, dass es einfach ein Weißer Löffler war!
Die wollte mein Vater immer fotografieren, aber hat sie nie vor die Linse bekommen und jetzt stehen hier gleich welche und haben die Ruhe weg!
Der Moment hält nicht lange, weil die Tiere sich dann doch etwas beobachtet vor kommen.
Manchmal wird man auch mit kleinen Nettigkeiten am Wegesrand überrascht. An einem Hof steht ein Stand mit einer Kaffeemaschine, einem Wasserkocher und Wasserflaschen. Man kann sich hier Kaffee oder Tee kochen und sich am angrenzenden Hof auf eine Picknickbank setzen. Auch frischer Rhabarber wird hier angeboten.

Ich ziehe weiter und lande im kleinen Ort Bierum auf dem Campingplatz.
Das Wetter wird wieder schlecht, dichte schwarze Wolken sind Vorboten von einer kalten Starkregenfront, deswegen buche ich gleich zwei Nächte auf dem Campingplatz.
Um bei kaltem Wind und immerhin nun trockenen Wetterverhältnissen meinen Blog weiter zu schreiben.
Ein weiters Learning der Tour: Bei Regentagen und Pause bitte buche dir entweder ein B&B oder eine Hütte auf dem Campingplatz! Da hast du es dann wenigstens warm, trocken und hast Strom!
Hier treffe ich ein älteres Ehepaar, dass doch tatsächlich auf dem gleichen Weg wie ich ist und auch noch in die gleiche Richtung! Allerdings mache ich heute Pause und sie fahren weiter…
Und ich glaube auch nicht, dass wir die gleiche Geschwindigkeit gehabt hätten. 😉
In der nächsten Etappe werde ich wieder zurück in Deutschland sein.
Die Radwege hier werde ich extrem vermissen und frage mich, warum Deutschland darin so rückständig ist…?

Diese Tour – so schön sie auch manchmal ist – ist extrem anstrengend. Freude und Ärger oder Mutlosigkeit liegen oft nur ein paar Augenblicke voneinander entfernt. Ich komme mir oft vor wie ein Borderliner.
Weiß heute an meinem Pausentag nicht so recht wohin mit mir und schlage die Zeit mit Dingen tot, die mich nicht wirklich weiter bringen. Und habe dadurch das Gefühl mich schlapper als vorher zu fühlen.
Auch zu diesem Blogpost muss ich mich aufraffen. Ich habe keine Lust die Fotos zu sortieren und an zu schauen, ich habe keine Lust mit kalten Fingern diesen Text zu verfassen. Daher weiß ich nicht, ob nicht das hier vielleicht sogar der vorerst letzte Eintrag ist und der Laptop mit ein paar anderen Dingen in Deutschland per Post nach Hause geschickt wird. Mal sehen… Wenn dem so ist, wundert euch nicht…
Ich habe keine Lust auf den deutschen Teil des EuroVelo12 der vor mir liegt, ich habe keine Lust auf Deutschland und dennoch weiß ich, dass morgen wieder die Sonne scheint und ich weiter fahren werde und es wird auf und nieder gehen. Und vielleicht, vielleicht finde ich die Reiselust endlich wieder.
Ich möchte nicht mehr frieren, ich will Frühling! Und ich möchte Anfang Juni in Norwegen an kommen. Ja, das möchte ich. Immernoch!
Ein paar haben mich gefragt, was nach dem einen Monat nun mein Resümee wäre.
Das suche ich auch noch – aber bereuen tu ich diese Tour bisher nicht. Auf keinen Fall!
Aber ich würde ein paar Dinge anders machen…

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