Angekommen?
Als ich bei bestem Sonnenschein in Karlsruhe aufgebrochen bin, fühlte es sich schon besser an.
Ich freute mich auf die bevorstehenden Tage, die mit schönem Frühlingswetter vorhergesagt wurden.
Heute hatte ich eine relativ lange Etappe vor mit. Bis nach Speyer sollte es gehen.
Erst an der Alb entlang in Richtung Rhein. Da der Berufsverkehr schon vorbei war, konnte ich ganz entspannt vor mich her rollen und habe mich gewundert, warum ich hier während Karlsruher Zeiten nie war. Wahrscheinlich, weil es vom Norden der Stadt zu weit war. Was soll‘s.
Auf dem Weg wurde ich von einem Typ angesprochen, wo ich denn hin will und woher ich komme. Wie alle, zeigte auch er sich erstaunt über die weite Reise die ich mir da vor genommen habe
Dann zog er auch schon weiter und ich hatte auch bald den Rhein erreicht.
Über die Brücke ging es dann hinüber in die Pfalz. Die nächste Bundeslandgrenze war also überschritten.
Entlang von saftigen grünen Auenwäldern und Deichen ging es entspannt vor sich hin. Auf den Wiesen am Waldrand wuchsen so viele tolle Blumen, auch ein paar Orchideengewächse habe ich gesehen.
In der Sonne war es so warm, dass ich öfter mal ein Päuschen einlegte. Wenn man den kleinen Pfaden in Richtung Rhein folgte, kam man an ganz idyllische Plätze. Dort saß ich dann und machte Brotzeit und genoss die Idylle um mich rum.
Das erste Mal durchatmen seit dem Start. Irgendwie komme ich so langsam in meiner Reise an.
Die Fahrt an Speyer vorbei war dann nochmal etwas wuselig, auch weil ein Volksfest dort statt fand.
Speyer selbst hatte ich mir vor ein paar Jahren schonmal angeschaut und ersparte mir so das Gewusel der Stadt. Mich zog es in die Ruhe und die sollte ich am heutigen Ziel finden.
Der Campingplatz, der ich abends erwartete war auch wunderschön gelegen an einem See.
So konnte ich die Abendsonne auf einer von diesen tollen bequemen Holzbänken genießen und Musik hören.
Ja, so kann die Reise weiter gehen.
Über Nacht hatte sich ganz schön viel Tau angesammelt und da ich früh los musste, packte ich mein Zelt einfach nass ein. Es sollte ja die nächsten Tage trocken bleiben, das würde schon am Abend wieder werden.
So ging es bei schönstem Sonnenschein wohl auf die längste Etappe auf dieser Tour – bisher.
Der Weg führte mich in Richtung Ludwigshafen, dort wartete etwas Industrie-charme auf mich und der Radweg führte ein bisschen durch Vororte und Parks. Dadurch machte er aber auch einen ziemlichen Umweg und ich sammelte ordentlich Kilometer.
Nachdem ich endlich den nicht so schönen Part des Weges hinter mir hatte, ging es weiter am Rhein entlang in Richtung Worms.
Oh, Worms!
Wie schön deine alten Straßen und Häuser sind, der Dom, der über allem emporragd. Die Geschichten die du Erzählst. Von Luther bis Nibelungensage. Es war nur ein kurzer Aufenthalt möglich, aber ich möchte unbedingt wieder kommen, um tiefer ein zu tauchen…
Auch habe ich hier ein paar ganz tolle Menschen getroffen.
Als ich nach einem Bankautomaten gesucht habe, sprach mich ein Pärchen an. Sie wiesen mir den Weg und wir kamen kurz ins Gespräch. Sie wollten wissen, wo es hin geht und erzählten mir, dass sie selbst für sechs Monate auf Motorradtrip waren. Anschließend boten sie mir noch an, dass ich eine Nacht bei ihnen schlafen könnte, wenn ich wollte. Sie selbst hätten auf ihrer Reise so viel Hilfe bekommen, dass sie davon etwas zurück geben wollen. Ein toller Vorsatz, den werde ich mir mitnehmen. 🙂
Da es aber super Wetter war und mein Ziel noch ein Stückchen entfernt war, musste ich das Angebot leider ablehnen. Aber ich denke oft daran, wie hilfsbereit die Menschen sind.
Dann gab es hinter Worms nochmal eine Umleitung vom Radweg. Als ich da stand kam ein Obdachloser auf dem Rad um die Ecke und bat mir an, mir eine Abkürzung zu zeigen. Die wäre zwar nicht so ganz legal, aber es wäre ja Sonntag und kaum Verkehr. Also folgte ich ihm. Er führte mich wirr durch die Baustellen hindurch über Straßen, die eigentlich für Radfahrer gesperrt waren.
Während der Fahrt erzählte er mir so dies und das. Über seine Familie, Worms, das Rheinufer.
Zum Beispiel war die Mauer entlang des Rheins sehr alt, und gar nicht wegen dem Wasser an sich gebaut. Sie war viel mehr ein Schutzwall gegen Packeis im Winter.
Auch Fähren über den Rhein hätte es mehr gegeben und Brücken, die aber abgebaut worden wären zum Teil wegen der Besatzung nach dem zweiten Weltkrieg.
Dann trennten sich unsere Wege und ich fuhr in Richtung Rheinfähre, die mich nach Gernsheim bringen sollte.
Auf dieser wurde ich noch doof von irgend so einem alten Mann auf Rennrad zugetextet. Der gar nicht drauf klar kam wie ich meine Route geplant hätte und wie langsam ich doch sei… Ist gut alter weißer Mann, fahr du mal weiter, ich mach hier mein Ding.
Angekommen am Campingplatz galt es erstmal den sehr lustigen Platzwart aufindig zu machen. Dann hatte ich als erste Camperin der Saison (jetzt bin ich was besonderes ;)) die freie Platzwahl auf einer ganz tollen Wiese neben dem Wald. Den Abend verbrachte ich am Rheinufer bei Sonnenuntergang mit Schwan.
Nachts hörte man Käuzchen und morgens die Vögel zwitschern.
Am nächsten Morgen ging es dann weiter an der östlichen Rheinseite.
Bald kam ich an einem Hof vorbei in dessen Garten wirklich überall Störche nisteten. In den Bäumen, auf den bereit gestellten Nestern, auf Strommasten. So viele Störche auf einem Haufen habe ich noch nie gesehen!
Durch Hessen ging es und ich muss sagen, der Weg war mal richtig doof markiert. Ein paar extra Kilometer waren nötig und ab und zu ein Blick auf das Navi. Aber es ging sehr schön an kleinen Bächen vorbei, ich sah eine Mandarinente und durchquerte kleine Örtchen. Und wunderschöne Wiesen voll mit blühenden Apfelbäumen!
Irgendwann hatte ich dann den richtigen Weg und das Rheinufer wieder erreicht.
Dann hieß es Rheinseite wechseln. Die Brücke über den Rhein war fürchterlich. So viele Autos und der Radweg zwischen Leitplanke und Mauer war vielleicht 1,5 Meter breit, so dass knapp zwei Räder aneinander vorbei passten.
Schnell überfahren empfing mich das Gewusel Mainz und der Weg wurde etwas stressig.
An der Rheinpromenade in Mainz kaufte ich mir dann erst mal ein Eis, machte ganz kurz Pause und fuhr weiter.
Die nächste Umleitung war mal wieder da und dermaßen dumm ausgeschildert. Ich liebe das ja, wenn die Beschilderung entweder auf einmal den Weg zurück zeigt, oder einfach aufhört an einer T-Kreuzung. Wunderschön!
Hier bemerkte ich dann auch, dass ich meinen kleinen Kuscheltierfreund, der mich auf der Reise begleiten sollte, verloren hatte. Also fuhr ich traurig ausgehungert und genervt einen Großteil der Stecke zurück. Aber durch das Gewusel der Promenade beschloss ich die Suche irgendwann auf zu geben. Also ging es zurück, der dummen Umleitung einen mords Umweg folgend.
Irgendwann erreichte ich dann den ersten Campingplatz den ich ausgesucht hatte, befragte noch einmal das Navi wie weit es von hier nach Koblenz ist – und beschloss noch einen Campingplatz weiter bis nach Bingen zu fahren.
Entnervt, müde und hungrig fuhr ich also durch die Sonne. Als ich dann an ein paar niedlichen Deichschafen mit Lämmchen vorbei gefahren bin, ging die Stimmung wieder nach oben und so erreichte ich den bisher teuersten Campingplatz der Reise.
Den Abend ließ ich am Rheinufer ausklingen.
Am nächsten Morgen konnte ich tatsächlich mein Zelt trocken einpacken. Es ging wohl ein bisschen Wind und der Rasen war nicht all zu lang. Da sammelte sich die Nässe nicht so arg.
Kurz zog es mich zum Ufer, dort hab ich ein paar kleine Gänseküken und einen Graureiher auf der Jagd beobachtet. Das Licht war einfach schön, der Himmel erstaunlich klar, die Sonne war noch relativ warm.
Ich hatte etwas Zeit und so konnte ich ohne Stress frühstücken und die Sachen packen.
Als ich aufbrechen wollte, hat mich mein Zeltnachbar kurz angesprochen. Er würde auch gerne eine Tour mit Motorrad machen, bekäme aber immer Rückenschmerzen wegen der dünnen Isomatte. Also empfahl ich ihm eine dickere, so wie ich sie habe. Die ist wirklich super, vor allem für Leute die gerne auf der Seite schlafen. Da hat man am nächsten Morgen keine Druckstellen an den Hüftknochen. 🙂
Dann ging es auch schon los. Ein bisschen erahnte man hier schon was mich den Tag erwarten würde. Bingen ist der Ort, der für eine Nonne und Universalgelehrte berühmt ist – Hildegard von Bingen. Sie war eine starke Frau in der Geschichte Deutschlands. Nicht nur, dass sie zwei Klöster am Leben hielt, sie hatte auch enormes Wissen in Medizin und Kräuterkunde – was zu dieser Zeit sehr bemerkenswert war. Dies hat sie auch ihn ihrem Buch „Physica“ nieder geschrieben.
In Bringen selbst kann man sich auf die Spuren dieser berühmten Frau begeben. Es gibt ein Museum und auch einen Kräutergarten. Den hätte ich gerne besichtigt, hatte aber dann nicht die Muße an diesem Morgen.
Wer mehr wissen will, es gibt ganz gute Dokumentationen über diese bemerkenswerte Frau.
Für mich ging es weiter und bald tauchte ich ein, in eine Reise die ich oft als Kind im Zug begangen habe. All die Burgen und historischen Städte sind mir wohl bekannt, aber es ist noch einmal etwas ganz anderes mit dem Rad an ihnen vorbei zu fahren.
Burgen, Ruinen, Schlösser. Vor allem Burg Pfalzgrafenstein ist mir in Erinnerung geblieben. Dort wollte ich als Kind schon immer drin wohnen. In diesem netten Schloss, dass einsam und allein auf seiner Insel mitten im Rhein thront. Wohnen würde ich da immer noch gerne. 😉
Auch Städte wie Bacharach sind mir noch in Erinnerung gewesen, an die Stadtmauer die bis nah an die Bahnlinie heran reicht. Geschichte zum Anfassen, atmen, träumen.
Der Weg führt über mal holperige Pflasterstraßen, dann über gut geteerte Wege direkt an der Landstraße und Bahnlinie entlang. Aber oft direkt am Rheinufer, das sehr Abwechslungsreich daher kommt. Mal Sandstrand, mal Mauer, mal gibt es Rastplätze mit großen Hängebänken und grandioser Aussicht. Fels mischt sich mit Historie, mischt sich mit lieblichen Weinbergen. Auch der sagenumwobene Felsen der Loreley darf nicht fehlen.
Es ist kein Wunder, dass das Mittelrheintal unter UNESCO Weltkulturerbe steht.
Hinter Boppard wird das Tal weit und macht Platz für Weinanbau in großem Stil. Ab hier fliegt man schier am Rhein entlang. Und ehe man sich versieht ist man schon in Koblenz angekommen.
Eine nette Stadt, lebhaft, mit Baustellen und einer großen Burg Ehrenfels, die erhaben über all dem wacht.
So kämpfe ich mich durch Umleitungen über die Rheinbrücke um den Hügel zu erklimmen und bei meiner Tante unter zu kommen. Gerade noch rechtzeitig, denn zwei Stunden später zieht der Sturm aus und die dichten schwarzen Wolken entleeren sich mit Gewalt.
Eine weitere Woche neigt sich zum Ende.
Eine Woche in der bestimmt nicht alles perfekt war, aber der Mut zurück gekommen ist. Auch das Vertrauen in meinen Körper kommt langsam zurück. Ich kann besser abschätzen zu wie vielen Kilometern ich ihn treiben kann. Wie ich ihm dabei Gutes tue, das lerne ich sicher die nächsten Wochen. Es ist schon ein Fortschritt nicht mehr jeden Morgen im Zelt zu sitzen und den Tränen nahe zu sein… Für diese Entwicklung bin ich bereits jetzt sehr dankbar.
Eine Woche in der ich wieder erfahren durfte wie wenig man zum kleinen großen Glück braucht: ein trockenes Zelt, Sonnenstrahlen, Vogelzwitschern am morgen, freundliche Menschen, Freunde die von weit weg Mut zu sprechen, ein warmer Schlafsack, ein warmes Abendessen und den Luxus nach einer Woche frisch gewaschene Wäsche und ein Bett zu haben! Purer Luxus! 🙂
Eine Woche mit so vielen tollen Erfahrungen und lieben Menschen die ich treffen und kennenlernen durfte. Danke für die Gastfreundschaft, die Hilfsangebote.
Und schon genau deswegen hat sich die Reise gelohnt.
Ein Gedanke der mich momentan umtreibt: in wie fern mich dieses kleine Abenteuer am Schluss verändern wird. Ob die lieben Menschen daheim eine Veränderung feststellen werden und in wie fern es mir in der Zukunft helfen wird. Aber vielleicht verändert es einen auch gar nicht so sehr, vielleicht füttert es einfach nur ein paar Erfahrungen und das war‘s?
Werden einem diese Erfahrungen später einmal helfen ein besserer, offener und gutherziger Mensch zu werden?
2 Gedanken zu „Angekommen?“
Ich bewundere dich und wünsche dir noch viele nette Bekanntschaften und schöne Erlebnisse.Außerdem wusste ich schn lange nicht mehr so viel über deien Aufenthaltsort wie jetzt.Liebe Grüße und gute Fahrt.
Ich grüße dich aus dem verschneiten Puchheim.Alles ist mit Puderzucker überzogen.
Isa
Zu Bewunder gibt es da nichts. Eher zum Kopf schütteln. 😉
Sonst bin ich auch nie so viel weit weg…