Möge das Abenteuer beginnen!

Möge das Abenteuer beginnen!

Mit eher gemischten Gefühl saß ich am Tag der Abreise am Frühstückstisch. Die Sachen wild im Wohnzimmer verstreut und darauf wartend final gepackt zu werden.

Ich hatte das alles irgendwie zwar geplant, aber auch irgendwie immer vor mir her geschoben. Abenteuer suchend, aber der Abschied fiel mir erstaunlich schwer. All die tollen Menschen, die ich nun für viele Wochen nicht mehr sehen würde…
Und dann war da noch diese Stimme, die nach dem Blick aus dem Fenster immer lauter wurde, vielleicht doch einfach einen Tag später los zu fahren?!
Es war grau draußen, windig und kalt. Hätte nicht wenigstens für den Start die Sonne scheinen können?
Nachdem ich dann endlich mal so weit war los zu fahren, kamen noch meine Mutter und mein Bruder um mich ein kleines Stück zu begleiten.


Der Wind ging ziemlich stark. Es war schon stellenweise echt eher stürmisch. Und, wie sollte es auch anders sein, kam der Wind natürlich von vorne.
Um es gleich vorweg zu nehmen, ich hatte zwei Tage lang mit Gegenwind der anderen Art, Kälte und am zweiten Tag mit Nässe zu kämpfen.
Ab Schöngeising trennten sich unsere Wege und ich fuhr alleine weiter.
Die Stimmung war nicht so, wie sie hätte sein sollen. Da war keine Vorfreude, keine Abenteuerlust. Nur ich, alleine gegen den Wind und eine Stimme die mich extrem mit Unsicherheiten und Argumenten gegen diesen Trip fütterte.
Den Weg bis zum Ammersee kannte ich ja schon vom Ammer-Amper-Radweg. Erst ab Eching ging es dann den Ammerseeradweg in Richtung Landsberg. Zwischenzeitlich war der Wind so stark, dass ich bergab pedalieren musste. Gerade mit schwerem Rad und Gepäck ziemlich ekelig.
So erreichte ich zwar bei Sonnenschein, aber total ausgelaugt Landsberg am Lech.
Der Campingplatz war aber ganz nett, der Wind ließ in der Nacht tatsächlich nach und so verbrachte ich eine halbwegs ruhige erste Nacht im Zelt.

Am nächsten Tag konnte ich das Zelt trocken einpacken, der Wind war nicht ganz so stark, aber es war kalt. So rollte ich durch Landsberg in Richtung Ottobeuren. Zuerst folgte ich dem Ammerseeradweg in Richtung Bad Wörishofen. Dabei hatte ich immer wieder grandioses Alpenpanorama.

Ab Mittag kam dann wieder ziemlich starker Wind auf und ich erreichte bald Bad Wörishofen. Dieser Ort ist bekannt für das Thermalbad. Allerdings nicht sonderlich schön, so beschloss ich einfach weiter zu fahren. Hier folgte ich dem Kneipp-Radweg.
Ab hier ging es wieder viel bergauf und bergab. Irgendwann setzte auch noch an einem Ort, der besonders steil bergauf ging, Regen ein. Und es gab eine dumme Straßensperrung. Ein netter Mann am Wegesrand schilderte mir wie ich diese am Besten umfahren konnte.
Mit Gegenwind, Regen und vielen Höhen und Tiefen, sowohl in Höhenmetern als auch mental, kam ich irgendwann an einen Hügel an auf dem das Schild „Paradies“ stand. Keine Ahnung was an dem Ort so paradiesisch ist, vielleicht die Aussicht bei gutem Wetter? Hier war allerdings nichts als grauer Himmel zu erkennen. Allerdings hatte ich hier auch den Punkt erreicht, an dem mir alles egal war und die „Psychose“ mal wieder ein kickt. Irgendwoher kam das Lied von „Phil Collins – Another Day In Paradise“. Dies laut vor mich her singend bestritt ich die letzten ekeligen Hügel und kam gegen Nachmittag ziemlich ausgelaugt am Campingplatz in Ottobeuren an. Dort schlug ich im Regen mein Zelt auf, gönnte mir eine kostenlose heiße Dusche und ging auch bald ins Bett.


Am nächsten Tag entschied ich mich für einen Pausentag. Es war immer noch windig und Körper und Kopf gaben mir zu Verstehen, dass es mal gut ist mit dem Radeln. So hatte ich einen ruhigen Tag auf dem sehr schönen Campingplatz, schaute mir die kleine süße alte Stadt Ottobeuren an. Das Kloster Ottobeuren hat eine ziemlich alte Bibliothek mit Originalbüchern aus dem 12. Jahrhundert und eine eindrucksvolle Basilika. Auch wenn ich mich in Kirchen nicht sonderlich wohl fühle, die meisten dieser Orte erzählen doch Geschichten.

Nach dem Pausentag ging es dann bei wunderschönem Frühlingswetter und die meiste Zeit bergab in Richtung Iller. Dort wollte ich die nächsten Tage entlang des schönen Flusses am Illerradweg in Richtung Ulm fahren.
Der nächste Zwischenstopp sollte Illertissen sein, so hatte ich zwei schöne ruhige und eher erholsame Tage entlang des Flusses.

Bei einer längeren Mittagsrast an einem sehr beschaulichen ruhigen Plätzchen hörte ich auf einmal riesiges Dröhnen in der Ferne, das immer näher und näher kam. Wobbelnde Bässe drangen durch die Stille und irgendwann kamen zwei Typen auf Rädern entlang gefahren. Der Hintere hatte an seinem Fahrradlenker eine Armader an Boxen und hinter sich noch einen Anhänger mit Subwoofer hängen. Dort dröhnten lauthals irgendwelche Malle-Hits heraus. Die zwei waren dann wohl „Endlich wieder bumsbar“ und ließen mich kopfschüttelnd und höchst amüsiert zurück. 🙂

Geflecktes Lungenkraut (Pulmonaria officinalis)
An diesem Ort fließt die Iller in die Donau.

Wenn nicht gerade Mallorca Kalles am Rad vorbei kamen, konnte man das das wunderschöne Frühlingswetter, Vogelzwitschern sehr gut genießen und so rollte schließlich in Ulm ein.
Meine Obdach war der Zeltplatz eines Kanuvereins, der Platz lag direkt am Donauufer. Also schnell Zelt aufgestellt und nochmal kurz einen Abstecher in die wirklich schöne Innenstadt von Ulm gemacht. Durch das schöne Wetter war die Stadt und die Donau sehr belebt – im positiven Sinne.

Am Campingplatz traf ich dann noch eine andere Radreisende.
Sie war mit dem schwer bepacktem Rad auf dem Weg entlang des Jakobwegs nach Portugal. An ihrem Rad hingen auch drei Blumentöpfe, in denen Kräuter gepflanzt waren.
Von ihr wurde ich dann auch an dem Abend bekocht. Es gab eine Salat Bowl mit Erdnusssauce und Asia Nudeln. Sehr lecker, vielen Dank dafür!
Allerdings war ich etwas irritiert, was die Gute alles mit transportierte. Kein Zelt, keine Isomatte, dafür mehrere Decken auf denen sie schlief. Einen elektrischen Miniwasserkocher und eine Essschüssel aus Keramik. Das war schon wirklich interessant, jeder Mensch reist halt so auf seine eigene Weise. Und das ist auch gut so!
Meine Wenigkeit achtet darauf nicht zu viel mit zu nehmen und andere sind bepackt wie ein Esel.
Sie gab mir dann noch ein paar Zwiebeln und Orangen mit auf den Weg und am nächsten Morgen trennten sich unsere Wege.
Hab eine Gute Reise! 🙂

Für mich ging es weiter in Richtung Blaubeuren immer entlang des schönen Flüsschens Blau, die ihrem Namen alle Ehre macht. Wenn man ihr folgt kommt man nicht nur durch kleine verschlafene Ortschaften, sondern auch durch Täler, Wiesen und Wälder aus denen große Felszähne heraus schauen.

Auf die Zwiebeln (jaja, sind Scharlotten) auf dem Gepäckträger wurde ich tatsächlich von einem MTB-Fahrer angesprochen. 😀

In Blaubeuren traf ich dann meine Cousine und wir sahen uns gemeinsam den Blautopf und die kleine Altstadt dazu an. Schöne alte Häuser die Geschichten erzählen. So soll das sein. Auch die Sagenwelt um den Blautopf lädt zum träumen ein.

Von hier an ging es weiter mit dem Auto nach Stuttgart, wo ich einen Tag blieb und wir uns Waiblingen angeschaut haben. Ebenfalls eine süße alte Stadt mit viel Geschichte und einem kleinen Apothekergarten. Da habe ich mich natürlich gleich wohl gefühlt. 🙂

Am Nächsten Tag war das Wetter wieder ziemlich mies. Grau, kalt, Gegenwind – so langsam gewöhne ich mich wohl dran.
Von Stuttgart nach Böblingen geht ein Fahrradspeedway. Ziemlich gut bergab und so konnte ich gerade am Anfang des Tages gut Strecke machen.
Leider war ab Böblingen keine gute Beschilderung mehr und ich folgte ziemlich wirr dem Navi.
Dieses schickte mich viele Höhenmeter hoch und wieder runter. Meine Finger wurden zu Eiszapfen – ich hätte doch die wärmeren Handschuhe einpacken sollen. Irgendwann war das Navi so kreativ mich über einen mit Gras überwachsenen Forstweg zu schicken. Dort erreichte ich einen ganz tollen Platz der mich irgendwie an Schafe erinnerte. Da er gut Windgeschützt war machte ich dort einen kurze Pause. Später sollte ich feststellen, dass ich auf einem Wanderweg gelandet war.

Dem „Schafspuren Wanderweg“. Süßer Weg, aber für mein schwer beladenes Rad war das nichts. Also hab ich einen Teil zurück zur Landstraße geschoben und es ging gut bergauf und auf gerader Strecke voll gegen den Wind in Richtung Calw.
Dort fühlte ich mich irgendwie gar nicht wohl. Und der Campingplatz war auch nicht so einladend.
Doch der nächste war zwar nur 10 km weiter, aber dafür viel zu teuer! Also Augen zu und durch.
Zelt aufgebaut, gegessen und irgendwie wollte ich mein Hab und Gut nicht all zu lang aus den Augen lassen. Da die Bewohner der Dauercamper auch nicht so einen tollen Eindruck machten.
Auf dem Platz selbst waren ganz viele niedliche Eichhörnchen und Katzen. So habe ich mich versucht damit ab zu lenken – hat auch gut geklappt.
Die Altstadt von Calw schaute ich mir einen Tag später an. Da brach ich sehr schnell auf um von diesem komischen Ort weg zu kommen.
Auch in der Altstadt hatte ich nicht so das gute Bauchgefühl. Kein Wunder, dass Hermann Hesse (der hier geboren wurde) Depressionen hatte. Kann ich bei dem Ort irgendwie verstehen und selbst die kleinen alten Häuser konnten mir das unschöne Gefühl nicht nehmen.
Es ging bei kaltem trockenen Wetter etwas bergauf und Bergab immer dem Nagoldradweg entlang nach Pforzheim. Bald kam die Sonne raus und zeigte den ganzen Tag ihre Präsenz.

Ab Pforzheim war ich sehr erstaunt, dass mein nächstes Ziel Karlsruhe schon ausgeschildert war. So quälte ich mich den Berg bei Pforzheim hoch, kaufte mir im nächsten kleinen Örtchen Proviant, den ich auf mehreren kleinen Pausen verzehrte.
Der Weg überraschte mich. Man fährt ziemlich bequem die 35 Kilometer. Etwas bergauf, aber meist bergab. Durch kleine niedliche Orte, entlang Flüssen und Bächen, überall blühende Kirsch- und Apfelbäume.

Dann war Karlsruhe auch schon in Reichweite. Ein paar der Straßenschilder kamen mir bekannt vor. Neureut – hier hatte ich fünf Jahre lang wohnt, Durlach – hier habe ich ab und zu in der Filial-Apotheke ausgeholfen. Zwischen Bahntrassen und Kleingartenanlagen ging es dann auf halbwegs bekannten Wegen zu meiner Unterkunft in Karlsruhe.
Der Tag heute, war der erste Tag, an dem ich nicht mit mir gerungen habe, ab zu brechen. An dem ich einfach fahren konnte und sogar noch recht fit war, als ich angekommen bin.
Vielleicht ist er da jetzt, der Flow!
Es war ein Tag, an dem ich bemerkt habe wie viele Kilometer ich schon hinter mir habe, an dem mir bewusst wurde wie viele „Grenzen“ ich schon überfahren habe und wie viele verschiedene Dialekte mir zu Ohren gekommen sind.
Vor mir liegen jetzt ganz viele Kilometer am Rhein entlang in Richtung Norden. Das heißt, weniger Höhenmeter, ein paar Übernachtungsmöglichkeiten bei weiteren lieben Menschen und mehr Kilometer, die ich am Tag zurück legen kann. 😀

Nach dieser Woche voller Tiefen und ein paar Höhen fühlt es sich nun so viel besser an.
Dranbleiben lohnt sich halt doch meistens. 🙂
Vielleicht wird das Wetter ja jetzt auch ein bisschen wärmer? Das wäre schön. 🙂

Vielen Dank an alle, die indirekt für mich da waren und mir direkt Unterkunft und Unterstützung angeboten haben. Auch für alle Essenseinladungen – ich seid wunderbare Menschen! <3

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